„Weltalltage“ von Paula Fürstenberg ist ein Buch, mit dem ich erst nicht warm wurde. Ich habe es angefangen und weggelegt. Ein halbes Jahr später habe ich es nochmal angefangen und war dann plötzlich komplett begeistert. Manchmal geht es eben um den richtigen Augenblick, in den ein Buch passt.
Es liest sich wie ein Tagebuch. Die Ich-Erzählerin ist eine junge Frau, die von einem unerklärlichen Schwindel geplagt wird, schon seit ihrer Kindheit. Die Ärzte finden keine Ursache. Aber die Krankheit bestimmt ihr Leben, sie kann nicht Fahrrad fahren, darf keinen Führerschein machen. Max wird zu ihrem besten Freund, er hilft ihr, ein normaleres Leben zu führen, indem er sie beispielsweise in einem Anhänger mit dem Fahrrad durch die Gegend fährt und die Ausbildung zum Rettungsschwimmer macht, damit sie im See sicher baden kann. Aber auch Max hat ein Problem – bei ihm ist es die Psyche, die sich durch Depressionen nach dem Freitod seines Onkels meldet. „Max hat lernen müssen, ein Kranker zu sein, und du hast lernen müssen, eine Gesunde zu sein, und miteinander war das nicht gegangen, zu festgeschrieben waren eure Rollen, deshalb habt ihr euch eine Zeit lang trennen müssen“.
Und so erleben wir, wie sich die Freundschaft verändert, die Rollen sich verändern. Ich mochte die beiden Protagonisten sofort, das erste Drittel las ich wie im Rausch. Das lag vor allem auch an der ungewöhnlichen Erzählweise – hier wurde nicht etwa chronologisch berichtet, sondern in Listen. Zu Beginn gab es so die „Liste möglicher Anfänge dieser Geschichte“ und danach die „Liste der Gründungsmythen eurer Freundschaft“. Das Buch durchbricht die vierte Wand, wir werden mit hineingezogen in die Auseinandersetzung, ob die Erzählerin ein Buch über diese Freundschaft schreiben darf, ob sie Max all dem aussetzen darf, ob er das vielleicht gar nicht möchte.
Ich liebe die Sprache dieses Buches, da ist die Rede von der „Maxlosigkeit“ und vom „Sack Finsternis“. „Draußen war plusminus Februar“ finde ich ebenso schön wie Sprüche wie „Kinder sind konservative Vollpfosten, die jede Veränderung ablehnen.“ Auch die Erzählperspektive, so ungewöhnlich sie sein mag, mochte ich.
Nach der fulminanten ersten Hälfte verlor mich das Buch dann leider – ich hatte das Gefühl, die Geschichte hat nicht genug getragen und so wurde mit Füllkapiteln gearbeitet, um auf eine bestimmte Seitenzahl zu kommen. Jedenfalls erschlossen sich mir manche Kapitel nicht, ich habe viele Seiten übersprungen, weil ich wissen wollte, wie es mit Max und der Freundschaft weiterging und nicht, im Kapitel „Verzeichnis einiger Krawall-Barbies“, welche Frauen in der Geschichte „Krawall“ angerichtet hatten (Xanthippe, Jeanne de Clisson, Gironima Spana etc.).
Auch der Schluss ließ mich eher ratlos zurück. Ich bin aber ein Fan von Paula Fürstenberg geworden und werde Ausschau halten nach weiteren Werken von ihr, die da hoffentlich noch kommen werden.